Donnerstag, 20. Oktober 2011

Hans-Peter Uhl und die Freiheit

Um den folgenden Beitrag verstehen zu können, ist es unerlässlich, den Inhalt der Rede von Hans-Peter Uhl zu kennen, welche er am 19.10.2011 in der Aktuellen Stunde im Bundestag gehalten hat. Daher bette ich zunächst das entsprechende YouTube-Video dazu ein:


Zwei Dinge sind es, die einen aufmerksamen Zuhörer stören müssen - für interrnetaffine Menschen sind es vielleicht sogar drei. Und wer sich dann noch mit Protokollen auseinandersetzt, der findet gleich noch eine äußerst unschickliche Sache. Aber der Reihe nach.

Der Aufreger des Tages ist das, was Dr. Uhl am Ende seiner Rede sagte: "Das Land wird von Sicherheitsbehörden geleitet" sowie "Es wird regiert von Sicherheitsbeamten". Ein Land, das von Sicherheitsbehörden bzw. Sicherheitsbeamten regiert wird, ist ein Polizeistaat. Auf Deutschland trifft das nicht zu, neben einigen anderen Dingen ist Deutschland auch ein Rechtsstaat - wenn hier irgendwas regiert, dann das Gesetz. Und das Gesetz regiert auf Basis der Souveränität des Volkes. Sicherheitsbehörden haben wir, aber es wäre schlimm, wenn das, was Dr. Uhl in seiner Rede äußert der Wirklichkeit entspräche, es wäre schlimm, wenn die Sicherheitsbehörden regieren würden oder auch nur Einfluss auf die Regierung nähmen. Eine solche Aussage ist schlicht und ergreifend falsch. Und sie führt zu der Frage, ob der Redner sich hier nur ungeschickt ausgedrückt hat, weil ihn die Zwischenrufe irritiert haben, oder ob es ein freud'scher Versprecher war, der auf einen inneren Wunsch hindeutet. Was es auch war, für den innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag war diese Äußerung schlecht.

Der nächste Punkt, der mir negativ aufgefallen ist, ergibt sich vermutlich nur, wenn man sich mit verschiedenen Auffassungen über Freiheit auseinander setzt. Dr. Uhl sagte, der so genannte Bundestrojaner könne zwar mehr als er darf, aber weil er niemals unrechtmäßig eingesetzt wurde, ist er eben doch nicht unrechtmäßig und deswegen sein die Debatte darum "hysterisch". Unabhängig davon, wie viel Wahrheit in seiner Aussage über die stets rechtmäßige Nutzung steckt - der Inhalt selbst ist schon schlimm genug. Zieht man eine Parallele zur Freiheit, so liegt dieser Aussage ein liberales, negatives Freiheitsverständnis zu Grunde. Das mag zwar heutzutage weit verbreitet sein, doch ich lehne es ab. Freiheit fängt für mich nicht dort an, wo ich keinen Eingriffen ausgesetzt bin, sondern erst da, wo auch keinerlei willkürliche Eingriffsmöglichkeiten bestehen. Die reine Existenz einer Software, die das Gesetz übertreten könnte und die Persönlichkeits- und damit auch Freiheitsrechte eines Bürgers einschränken könnte, ist genug, damit die Freiheit selbst verloren ist. Und damit ist die reine Existenz einer solchen Software für mich inakzeptabel.

Der internetaffine Mensch mag sich nun auch noch an seinen verbalen Attacken gegen Piraten-Partei, Chaos Computer Club, Grüne, Linke und SPD stören. Die Rache dafür folgte aber bereits durch das Hacking der Website von Uhl - durchgeführt vermutlich von "Unbekannt". Als Sympathisant für mitte-links, fortschrittlich und internetiroentierte Parteien heiße ich die verbale Attacke nicht gut.

Was den nicht nur sehenden und hörenden, sondern auch lesenden Menschen nun wirklich erschrecken sollte, ist die Tatsache, dass die Protokolle geändert wurden. Die Aussagen Hans-Peter Uhls, wie ich sie oben zitiert habe, finden sich nicht mehr darin. Stattdessen steht dort "vielmehr verfügt das Land über Sicherheitsbehörden [...]" sowie "Wir haben Sicherheitsbeamte, die Recht und Gesetz verpflichtet
sind" (nachzulesen auf bundestag.de). Wie kann es sein, dass solche Aussagen im Nachhinein so deutlich geändert und "korrekt" dargestellt ins Protokoll aufgenommen werden? Wozu wird ein Protokoll geführt, wenn solche Aussagen sowieso nicht korrekt niedergeschrieben werden? Vor allem aber: Was sagt diese Praxis aus über unser Land? Ein Land, indem ein Politiker offensichtlich Dinge äußert, die mit der Verfassung nicht übereinstimmen - egal, ob wissentlich oder unbeabsichtigt - ein Land, in dem solche Dinge für das Protokoll vertuscht werden, ein solches Land hat in meinen Augen ein ernsthaftes Problem. Andererseits: Es ist offensichtlich die gängige Praxis, dass Redner später die Protokolle durchsehen und "peinliche" Passagen korrigieren dürfen. Aussagekraft haben diese Protokolle damit nicht mehr. Andererseits ist das im Zeitalter der digitalen Aufzeichnungstechniken und des Internets auch glücklicherweise nicht mehr so wichtig.



Übrigens: Hans-Peter Uhl hat seine Aussage als "sprachlichen Missgriff" bezeichnet, der "in der freien Rede passieren kann". (nachzulesen auf abgeordnetenwatch.de) Ja, das kann er. Besser wird es dadurch auch nicht, vor allem, wenn man später im Protokoll nicht mal dazu stehen kann.


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