Freitag, 18. März 2011

Express-Studium

Ich habe heute endgültig mit meiner Bachelor-Arbeit angefangen. Nachdem die letzten Wochen mit schwammigen Themen-Ideen rund um die politischen Schriften Jean-Jacques Rousseaus vergingen, habe ich inzwischen zwei ernstere Gedanken und auch ein wenig Literatur dazu gesichtet. Während ich also heute über komplexen Themen brütete, stieg eine alte Angst wieder hoch: Ich bin aus der Regelstudienzeit des Bachelors raus.

Für den Bachelor hat man normalerweise sechs Semester, also drei Jahre Zeit. Ich habe mein Studium in halle zum Wintersemester 2007/2008 angefangen und befinde mich noch in meinem siebten Semester - und das achte beginnt in wenigen Wochen. Ein ganzes Jahr hinke ich also der Regelstudienzeit hinterher. Da fällt natürlich der Blick auf meine Freundin, die ihren Bachelor-Abschluss bereits nach vier Semestern geschafft hat und direkt den Master hinten dran. Wenn ich sie mit mir vergleiche, stellt sich mir unwillkürlich die Frage: Wieso habe ich das nicht auch geschafft? Wenn dann noch Meldungen über einen 18jährigen Wissenschaftler kommen, der sein Diplom schon in der Tasche hat und nun bei uns als Dozent anfängt - dann bin ich endgültig deprimiert. Woran liegt es, dass ich nicht dasselbe Tempo an den Tag lege?

Doch es ist nicht diese Frage, die mir Angst macht, sondern die Konsequenz daraus: Werde ich am Arbeitsmarkt überhaupt noch Chancen haben, wenn ich ein Semester länger als alle anderen studiere? In einem Gespräch vor eineinhalb Jahren mit mehreren Dozenten und einem Professor wurde ich ungläubig belächelt, als ich meine Sorge darüber äußerte - diese Männer konnten sich nicht vorstellen, dass ich junges Ding Angst haben könnte, zu alt zu sein. Damals konnte ich ihre Position nicht verstehen, aber das ändert sich langsam. Meine Sorge - oder zumindest diese spezielle Sorge - wird geringer. Warum?

Da wäre zunächst der Sommer letztes Jahr zu nennen. In den Semesterferien hatte ich nicht viel zu tun, also habe ich direkt zwei Praktika absolviert. Beides bei sehr angesehenen Unternehmen, von denen das eine sogar eigentlich gar nicht Studenten aus meinem Fachbereich nimmt. Beide Male erhielt ich am Ende Lob für meine Arbeit, bei der einen Stelle sogar ein außerordentlich gutes Zeugnis. Ich war um Erfahrung reicher, meine diversen Praktika im Bereich Journalismus haben mir gezeigt, dass ich den Job wirklich kann. Und sie haben mir gezeigt, dass ich nicht immer so viel Freude daran finde, wie ich es mir wünschen würde. Ich habe also im Sommer/Herbst angefangen, über andere Berufswege nachzudenken. Wäre ich bereits mit der Uni fertig gewesen, hätte ich diese Praktika sicher nicht mehr gemacht.

Außerdem habe ich im Sommer meinen Freund kennen gelernt - wäre ich in der Regelstudienzeit fertig geworden, wäre ich vielleicht nicht mehr in Halle gewesen, um ihn kennen zu lernen. Auch in der Hinsicht war die Entscheidung richtig. Des Weiteren habe ich im Wintersemester 2010/2011 eine Stelle als Tutorin für Erstsemester bekommen, so dass ich auf dem Gebiet der Lehre und des wissenschaftlichen Arbeitens ebenfalls Erfahrung sammeln konnte.

Und ich glaube, darum geht es heutzutage auch: Erfahrung haben. Nicht nur Fachwissen zählt, sondern auch Lebenserfahrung. Auslandsaufenthalte, Praktika und andere Softskills - das alles kostet Zeit, aber man gewinnt sehr viel. Auch jedes Gespräch in der Mensa mit anderen Studenten erweitert den Horizont. Ein 23jähriger Absolvent ist jung und dynamisch und vermutlich fachlich auch gut qualifiziert. Aber steht er genauso sicher im Leben wie ein 28jähriger, ein 30jähriger? Er hatte viel weniger Zeit, neue Erfahrungen zu machen, sein eigenes Denken zu hinterfragen. Und zählt es für ein Unternehmen wirklich, dass die Bewerber jung sind? Ist es nicht viel angenehmer für einen Personalchef, wenn er einen gebildeten, talentierten, aber eben auch reifen Menschen vor sich hat?

Ich jedenfalls denke, dass dieser Hype um die Jugend übertrieben ist. Und ich hoffe und denke, dass auch Personalchefs nicht nur nach dem Geburtsjahr gehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen